Meet your cat, the predator.

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Bei all den süßen Kätzchen und putzigen Posen habe ich einen wichtigen Aspekt der Katze bisher unterschlagen: das Raubtier. Keine Sorgen, ich werde dich hier jetzt nicht mir Fotos von toten Beutetieren entsetzen, aber wir sollten uns nichts vormachen, all das Springen, Lauern und Fangen ist nur eine Vorbereitung für die Jagd. Katzen sind perfekte Jäger (besonders meine Norweger, seufz!) und wenn auch Mäuse und Ratten auf ihrer Beuteliste ganz oben stehen, jagen sie im Prinzip alles, was nicht größer ist als sie, leider auch Eichhörnchen, Schmetterlinge und Reptilien. (Daher sind unsere Kaninchen auch strikt von den Katzen getrennt!)

Hat die Katze eine Beute entdeckt, erstarrt sie und schleicht sich vorsichtig so weit wie möglich an, um dann in einem günstigen Moment und wenn der Abstand passt vorzuspringen und die Beute zu greifen. Bei der Jagd kann man unterschiedliche Strategien beobachten: Beim Ansitzen (du erinnerst dich an Ausgabe 74 und die Maulwurfshügel?) sitzt die Katze für längere Zeit völlig ruhig an geeigneter Stelle, erscheint dann die Beute springt sie fast senkrecht hoch und landet im hohen Bogen, möglichst mit den Vorderpfoten auf der Beute.

Bei auffliegenden Tieren wie Vögeln, Schmetterlingen oder Libellen springen Katzen schon einmal fast senkrecht in die Höhe. Ich erinnere mich noch an einen Spätsommernachmittag, an dem besonders viele Königslibellen (siehe Bild) in unserem Garten unterwegs waren und unser Baba unbedingt eine davon fangen wollte. Eine Libelle näherte sich und flog knapp über den Kopf meines Mannes (er ist so circa 1,80 groß). Er hatte den Satz: “Die kriegt er sowieso nicht” noch nicht ausgesprochen, da hatte Baba die Libelle auch schon aus der Luft gepflückt. Wie gut das jetzige Katzenteam springen kann, habe ich dir ja bereits mit etlichen Fotos belegt – Federspiel vs. Vogel, der Unterschied ist nicht sehr groß.

Bei Beutetieren, die in voller Sichtweite sind, kommt das Auflauern zum Einsatz. Dabei kommt der Katze zum einen ihre mehr oder weniger gute Tarnfarbe zugute und zum anderen profitiert sie von ihrer Eigenschaft, sich völlig unbeweglich der Umgebung anzupassen und sich lautlos zu bewegen. Hat unser Jäger also eine Beute im Visier versucht er, jede Deckung zu nutzen und sich flach über dem Boden mit angelegten Ohren an die Beute anzupirschen. Die Pfoten werden dabei ganz langsam und vorsichtig angehoben. Wendet sich die Beute ab, wird auch schon mal einige schnelle Schritte eingelegt, um die Distanz zu verringern. Zeigt die Beute im Gegenteil erhöhte Alarmbereitschaft, kann die Katze zur Salzsäule erstarren. Scheint ihr die Entfernung zur Beute akzeptabel wird ein Endspurt eingelegt, um die Beute mit einem gezielten Sprung zu erwischen. Die ganze Sequenz erfolgt völlig konzentriert, da kann Frauchen hinter dem Fenster noch so wild rumhüpfen und schreien, die Katze lässt sich nicht ablenken.

Das außergewöhnlichste und denkwürdigste Auflauer-Erlebnis kann ich dir nur beschreiben, denn dafür ist wieder Baba verantwortlich. Aber nun zur Geschichte: In jedem größeren Gärten befindet sich heute ja ein Teich mit Fischen. Das haben auch die Graureiher mitbekommen und machen zum Teil gute Beute. Davon muss auch der junge Graureiher geträumt haben, als er sich am Gartenteich unseren alten Hauses niederließ. Was er nicht wissen konnte: Wegen der Katzen hatte ich von Anfang an auf Fische verzichtet. Die Ankunft des Reihers war nicht nur mir, sondern auch Baba aufgefallen, der auf seinem Stammplatz in unserem Staudenbeet gut versteckt seine Siesta gehalten hatte. Während ich noch amüsiert zusah, wie sich unser Kater an den Reiher anschlich, geschah das für mich Unfassbare: Baba machte einen Satz und landete auf dem Rücken des großen Vogels. Dieser, völlig überrascht, versuchte abzuheben und machte mit unserem Kater auf dem Rücken einen Satz über den Teich. In seiner kopflosen Flucht hatte er jedoch die falsche Richtung eingeschlagen und landete unter unseren Obstbäumen. Der denkbare schlechteste Platz, wenn man davonfliegen will! Das alles passierte in wenige Sekunden. Als ich mich endlich gefasst hatte, stürzte ich schreiend wie eine Furie aus dem Haus. (Das ist keine Übertreibung! Alls unsere Nachbarn kamen auf ihre Balkone um zu sehen, was denn da los war.) Die anderen Katzen verschwanden sofort durch die offene Kellertür. Ich lief auf Baba und den Reiher zu und schrie so laut und wütend, dass der Kater vom Vogel abließ und sich vor mir auf die Erde duckte – etwas das mir nie zuvor und auch später nie wieder gelungen ist. Ich griff blitzschnell meinen Kater, brachte ihn in den Keller und schloss die Tür. Erst jetzt, nachdem alle Jäger eingesperrt waren, warf ich einen Blick auf den Vogel. Der stand mit einer herabhängenden Schwinge immer noch unter den Bäumen. Bei seinem Anblick wurde mir ganz flau. Ein verletztes Wildtier ist so ziemlich das Letzte, was man haben möchten. Ich ging auf den Reiher zu, da faltete er seinen Flügel wieder ein und machte einige Sprünge von mir weg. Der Flügel war nicht gebrochen bzw. unserem Killer-Kater war es nicht gelungen die Sehnen durchzubeißen! Ich beschloss ins Haus zu gehen, damit sich das Tier in Ruhe von seinem Schock erholen konnte. Fast eine Stunde stand der Graureiher am Ufer unseres Teich und schwankte wie das Schilf im Wind. Dann hob er plötzlich den Kopf und flog weg.

Seitdem weiß ich, dass es sich lohnt, auch praktisch wie tot daliegende Vögel in Sicherheit zu bringen. In den meisten Fällen stehen sie einfach nur unter Schock. Ich sichere sie dann immer mit dem Oberteil eines alten Vogelkäfigs vor den Nachbarskatzen, Elstern, Krähen und Co. Die meisten sind nach 30 Minuten wieder fit und können in die Freiheit entlassen werden. Durch Schütteln habe ich schon den einen oder anderen Vogel den Raubtieren entrissen. Ein Rotkehlchen flog selbst davon, einen jungen Kleiber konnte ich schnell mit der Hand aufnehmen. Die Katzen sind natürlich nicht dumm. Sie haben schnell raus, dass ich ihnen ihr “Spielzeug” wegnehmen will, und verstecken sich dann mit der Beute im Maul unter den Kirschlorbeer. Darum habe ich diesen Winter bei unseren Federspielen etwas Neues ausprobiert. Wenn eine Katze den Federbusch gefangen hatte, sagte ich immer laut “meins” bevor ich ihr sanft die “Beute” weggenommen habe, um dann das Spiel fortzusetzen. Bereits nach kurzer Zeit ließen sich alle auf “Meins!” willig den Federbusch wegnehmen. Ich hoffe, dass dieser Trick auch beim lebenden Objekt funktioniert…

Das Ansitzen, Anpirschen, Auflauern und Springen konntest du ja bereits in vielen Fotos – wenn auch nur im Spiel – beobachten. Deshalb habe ich dir heute Bilder angehängt, die zeigen, wie unsichtbar sich eine Katze machen kann und welche Deckung sie ausnutzt. Ich habe einige der Bilder “Suchbilder” genannt, denn es ist manchmal gar nicht so einfach zu erkennen, wer da wo sitzt.

Nur der Vollständigkeit halber: Alle Opfer, die es leider nicht schaffen, werden bei uns ordnungsgemäß im Garten bestattet. Ich bin sicher, dass Archäologen in ferner Zukunft unsere Gärten für rituelle Begräbnisstätten oder Treffpunkte für einen archaischen Kult halten werden 😉